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Nun ist es passiert: Auf dem Ausritt in die Drahtfalle zu geraten ist mit das Schlimmste, was man sich eigentlich vorstellen kann. Ein schmaler Weg führte am Feldrand entlang und bevor Michaela wirklich registrieren konnte, was auf dem Boden lag, ist ihr Pferd in eine Schlaufe aus Stacheldraht getreten. Das Pferd erschrickt und dreht sich „auf dem Absatz um" und schießt weg. Gott sei Dank ist nichts passiert und beim näheren Hinschauen stellte sich heraus, dass der Draht ziemlich lang war – schätzungsweise 10 Meter! Trotz gehörigem Schock konnte die Reiterin das Pferd recht schnell wieder einfangen und auf es einwirken. Eine genaue Kontrolle der Pferdebeine ergab: Keine Verletzungen. Sicherlich haben die angelegten Gamaschen dazu beigetragen.

 

Das, was hier tatsächlich passierte, ist der Albtraum vieler Reiter. Nicht nur deshalb mögen sie nicht mit einer gebisslosen Zäumung ins Gelände. Aber es zeigte sich, dass die Reiterin mit dem LG-Zaum sehr gut einwirken konnte und das Pferd recht schnell wieder an die Hilfen bekam, obwohl die Stute ziemlich „durch den Wind" war.

 

Der LG-Zaumwritt2009-081

 

Monika Lehmenkühler hat den LG-Zaum entwickelt. Manche kennen diese gebisslose Zäumung auch unter dem Namen „Glücksrad". Und das ist auch das Ziel von Monika Lehmenkühler: Glückliche Pferde! Allerdings ist das eigentlich eine zu einfache Floskel, die ihr so nicht gefallen wird, denn Sie hat sich ausgiebig Gedanken um die Zäumung des Pferdes gemacht. Es geht ihr um mehr: „Die Zäumung des Pferdes ohne Mundstück mit dem Bestreben, sämtliche Lektionen der klassischen Dressur und dennoch anatomisch korrekt und ohne Verlust an künstlerischer Ausdruckskraft reiten zu können" hat sie dazu geführt, Anfang der neunziger Jahre eine eigene Reitmethode mit dem von ihr entwickelten LG-Zaum zu entwickeln. „Der LG-Zaum ist eine direkt aus meiner Methode des Reitens entstandene Zäumungsart, die adäquat und auf sanfte und wirkungsvolle Weise Trense und Kandare ersetzt, denn sie ermöglicht höchste Versammlung und damit anspruchsvolles Reiten nicht nur in der klassischen Dressur, sondern in jeder Reitdisziplin - auch im Turniersport," so Monika Lehmenkühler in ihrem Buch „Anspruchsvoll gebisslos reiten mit dem LG-Zaum".

 

Das mit dem Turniersport ist aber so eine Sache: Seit geraumer Zeit versuchen Nutzer des Zaums und auch Frau Lehmenkühler bei der FN eine Änderung des § 70 LPO („erlaubte Ausrüstung") herbei zu führen. Leider ohne Erfolg - aber was nicht ist, kann noch werden, denn im Moment ist ja einiges in Gange. Den ersten Schritt hat jetzt aktuell die EMFTHA unternommen. Hier ein Auszug eines Schreibens vom 14.05.09 an Frau Lehmenkühler:

„Liebe Frau Lehmenkühler,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, das am 05. bis 07. Juni die diesjährige Turniersaison mit einem High-Point Missouri Fox Trotter Turnier in der Nähe von Karlsruhe startet. Zum ersten Mal sind bei uns - aufgrund des Wunsches unserer Mitglieder - einige gebisslose Zäumungen, unter anderem Ihr LG Zaum, für ein Jahr zur Probe auf allen Turnieren zugelassen. Nach diesem Probejahr werden wir unsere Erfahrungen auswerten und gegebenenfalls für die Zukunft einige gebisslose Zäumungen in unseren Satzungen zulassen. Wir hoffen, mit dieser Entscheidung einen Schritt in die richtige Richtung gemacht zu haben.

Die EMFTHA wurde 1992 gegründet und ist dem Mutterverband der Missouri Foxtrotter, der MFTHA (Missouri Fox Trotting Horse Breed Association) in Ava, Missouri, USA angeschlossen. Die EMFTHA e.V. ist der einzig anerkannte Foxtrotter-Verband der MFTHBA in Europa und vertritt die Interessen des Mutterverbandes in Europa.

Thomas Windmüller"

 

Die Fotos, die im Buch von Monika Lehmenkühler zu sehen sind, sprechen Bände: Absolut losgelassene Pferde, in natürlicher, relativer Aufrichtung mit zufriedenem Gesichtsausdruck. Auch in den höheren Klassen des Reitens - ein Augenschmaus!

 

Wie sieht es aber bei einem Reiter aus, der sich das erste Mal damit beschäftigt? Wir haben unser Testteam bemüht und die Zäumung an verschiedenen Pferden ausprobiert. Michaela und ihre 13-jährige New Forstest Stute lieben das Glücksrad geradezu! Auf dem Platz ist die Stute manchmal etwas fest, dadurch verspannt sich auch die Reiterin. Natürlich kann man jetzt die Frage nach dem Huhn und dem Ei stellen: Was war zuerst da - aber Fakt ist, dass sich beide mit dieser Art der Zäumung innerhalb kürzester Zeit entspannen. Michaela gibt schneller weich mit der Hand nach und die Stute geht nicht mehr mit aller Kraft gegen die Zügelhilfen an. Sie kann das Pferd im Verhältnis zur Wassertrense in kürzester Zeit in Anlehnung reiten und ihr Pony erreicht nach der Lösungsphase eine deutlich bessere Durchlässigkeit. Natürlich kann nicht von heute auf morgen ein L-Dressur-Gespann aus den beiden werden aber sie sind auf einem absolut guten Weg. Beide wirken zufriedener, was ja den Grundstein der korrekten Ausbildung bildet. Um nun zu überprüfen, ob es „nur" das gebisslose Reiten ist, schnallten wir ein so genanntes Pony-Hackamore oder auch Wander-Hackamore in die Trense. Hier stellte sich aber sehr schnell heraus, dass bei dieser Zäumung die seitliche Führung nicht eindeutig war. Im Gelände okay, auf dem Platz zum Dressurreiten jedoch nur bedingt nutzbar. Anders der LG-Zaum: Durch die Speichen des Ringes kann die Zügelhilfe auch einseitig erfolgen. Die Wirkungsweise verläuft über den Nasenriemen und das Genickstück. Die Kinnkette bildet den „Gegenpol". Sowohl Nasenriemen als auch Kinnkette können variabel eingeschnallt werden und ermöglichen eine ganz sanfte (bei zusätzlichem Fell-Nasenschoner) Einwirkung bis hin zur „schärferen" Einschnallung in die Speichen des Glücksrades und einem festeren Anzug der eingliedrigen Kinnkette - allerdings kann man bei Frau Lehmenkühler nur die zweigliedrige Kette erwerben. Selbstverständlich sollte hier nicht übertrieben werden, denn Ziel ist ja das zufriedene Pferd!

Ein weiterer Vorteil des gebisslosen Reitens ist, dass sich der Reiter bewusst oder auch unbewusst vermehrt auf die Schenkel- und Gewichtshilfen konzentriert. Das korrekte Reiten und an die Hilfen stellen erfolgt in der Hauptsache über den Sitz - so wie es ja auch sein soll. Auch da konnte man bei unserer Testreiterin eine positive Veränderung sehen.

 

Der 20 jährige Wallach, der bei jedem kurzzeitigen Gebisswechsel in den vergangenen Jahren unwillig reagierte, mochte auch diese Änderung nicht. Er wird mit einer doppelt gebrochenen Wassertrense geritten, die eine mittlere Stärke aufweist. In den vergangenen 14 Jahren haben wir das einfach gebrochene versucht, Pony-Hackamore, Ledergebiss, Merothisches Reithalfter usw. Jedes Mal machte er deutlich, dass er keine Änderungen wünscht. Allerdings haben wir auch keine Probleme mit dem jetzigen Gebiss, er kaut zufrieden, geht wunderbar am Zügel und ist leicht in der Hand. Eine Änderung ist also nicht wirklich erforderlich.

 

Meine 15 jährige Stute verhält sich da schon anders: Eine andere Zäumung ist ihr „egal". Ob doppelt gebrochen oder LG-Zaum - sie tritt mit beiden Zäumungen willig an die Hand heran. Nach ein paar Runden auf dem Platz mit dem Glücksrad hatte sie sich schnell darauf eingestellt. Das losgelassene Abprusten zeigte mir ihre Zufriedenheit und wir konnten alle Lektionen, wie auch sonst, reiten. Das besondere an dieser gebisslosen Zäumung ist für mich, dass man tatsächlich auch seitlich einwirken kann, das ist bei anderen gebisslosen Zäumungen nicht möglich, da sich die Zügelhilfen auf den ganzen Nasenbereich und das Genick auswirken. Beim LG-Zaum ist ein einseitiges „anklingeln" deutlich für das Pferd erkennbar. Somit kann ich den äußeren Zügel rahmend nutzen und mit dem inneren entsprechend nachgeben. Die Stellung/Biegung bleibt erhalten, und die Trense verrutscht auch nicht über dem Pferdekopf bei einer einseitigen Zügelhilfe.

 

Da uns das Gebisslose prinzipiell sehr gut gefällt, weil es einfach maulschonender ist, gingen wir bei unserem Test noch weiter: Kann man das Handpferd damit sinnvoll ausrüsten? Ich reite sehr viel mit Handpferd, meine Pferde kennen es. In der Regel bleiben sie an ihrem Platz, nämlich etwas versetzt nach hinten neben mir. Kommt ein schmaler Weg, muss das Handpferd hinter dem Reitpferd gehen. Durch mündliche Aufforderung holt das Handpferd, nachdem sich der Weg wieder nebeneinander bereiten lässt, auf. Eigentlich könnte ich also auch mit gut sitzendem Stallhalfter reiten. Allerdings kann es immer sein, dass ich durch Fahrzeuge, Fußgänger oder hier in der Gegend auch Schafherden, in Situationen komme, während der meine Pferde einfach nur Pferd sind: Der Fluchtreflex würde einsetzen. Da ich nicht möchte, dass ich in schwierigen Situationen nicht „leicht" auf meine Pferde einwirken kann, benötige ich schon allein für „meinen Kopf" eine Zäumung, von der ich hoffen kann, dass ich meine Pferde damit im Notfall halten kann. Ich gehe dann ruhiger an brenzlige Situationen heran. Also trense ich mein Handpferd und führe es an der Longierbrille mit. Der Strick hängt aber meist sowieso durch, insofern übe ich keinen Druck aufs Maul aus. Auch hier hat Frau Lehmenkühler eine Neuerung: Der Ring der Longierbrille ist nicht fixiert sondern gleitend. Das soll den Vorteil bieten, dass sich der Zug an Longe, bzw. im Falle des Handpferdereitens am Strick, nicht am äußeren Gebissring ergibt sondern jeweils innen. Ich denke, dass es minimal auch so ist, allerdings haben wir bei der Überprüfung zwischen zwei Menschen keinen Unterschied feststellen können. Nicht vergessen darf man aber, wie empfindlich Pferde sind: Die berühmte Fliege auf dem Fell...

 

Wenn das Handpferd vorweg geht, so kann ich es mit dem LG-Zaum recht einfach wieder an den seitlichen Platz neben mir verweisen. Wenn das Pferd hinterher geht, so ist es über die Zäumung schon etwas diffuser fürs Pferd.

 

Die Longierbrille ist leider für meine Pferde für diese Art der Nutzung etwas zu lang. Die Longierbrille rutschte unters Kinn und Unterlippe und fand sich als zusätzliches Gebiss im Maul des Pferdes wieder. Also kurz ausschnallen und gleich wieder befestigen. Das hat aber natürlich nichts mit dem LG-Zaum zu tun und kam nur vor, wenn ich das hinterher gehende Pferd zu intensiv mit „Ziehen am Strick" aufgefordert hatte, nach vorn zu kommen.

 Fazit

Der LG-Zaum ist eine gut durchdachte Möglichkeit, sein Pferd auch in höheren Disziplinen, ob Dressurplatz oder Gelände, zu reiten. Wer außerhalb des Reitplatzes Angst hat, sein Tier zu halten, kann zusätzlich so genannte Shanks an das Glücksrad befestigen. So kann eine Hebelwirkung erzeugt werden, die aber meines Erachtens nicht notwendig ist - denn mit LG-Zaum gerittene Pferde werden immer feiner auf die Hilfen reagieren - auch im Gelände.

 

Katrin Maerten